Wenn Sauerstoff knapp wird, weil Menschen ihn fressen
ohne zu gucken die Atemluft verpesten,
wenn letzte Bäume fallen,
lass uns doch einfach Schritte zurück machen,
rückulieren
anstatt zu evolutionieren.
Das Feuer ertränken, anstatt es anzufachen,
unter Wasser vergisst man den Klang von Lachen
–
„Hast du mal gehört, dass Gott tot ist? Das hat ein Philosoph mal gesagt…und dann kamen die, die sagten, der Mensch sei auch tot…“
–
Manche blieben bei dem, was sie kannten. Sie starben.
Der Großteil rückulierte sich. Sie hatten plötzlich aber nur noch alles, was sie brauchten.
–
Blaues Licht, Geräusche, die man an Land nicht hören kann. Blubbern, Seufzen und Jammern in wehleidigen Chören aus schimmernden Schuppen. Schatten und Sonnenstrahlen von der Oberfläche spielen miteinander auf versunkenen Felsen. Zu weit weg, um echt zu sein. Ein faltiger, zusammengefallener Nichtsthunfisch (NT). Eine kleine Grünele (G).
–
NT: „Die Gedanken sind Steine.“
G: „Wirst du wieder übernostalgisch und dramatisch?“
Der Nichtsthunfisch ignoriert die Grünele wie üblich. Starrt ins Blaue.
NT: „Sie ziehen mich in unbekannte, unerforschte Tiefen, vorbei an haarigen Algen und Getier mit überrascht aufgerissenen Glubschaugen. So wie deinen.“
G: „In den weichen, kalten Schlamm deines wehleidigen Egozentrismus.“
Der Nichtsthunfisch hebt eine rückulierte Hand ins Leere, ignoriert die Grünele.
NT: „Der Grund, was ist der Grund für diese Steine in meinem schwammigen Gehirn?“
Die Grünele wedelt mit ihren kleinen Beinchen.
G: „Du kannst deine konditionierte Wichtigtuerei nicht davon treiben lassen?“
NT: „Lügen. Lügen sind manchmal wie Lungenfische. Die können noch an Land wandeln. Sie springen aus meinem Mund ans Tageslicht, sie wollen sich sonnen und räkeln. Und wenn sie bereit sind, werden sie zu Steinen im Kopf meines Gegenübers… Sie tun weeeeeh. Warum werfen wir sie nicht weg?“
G: „Wir haben doch alles was wir brauchen.“
Zum ersten Mal glubscht der Nichtsthunfisch die Grünele direkt an.
NT: „Ach Kind, wir brauchen mehr als andere, um uns wichtiger zu fühlen. Wir haben euch diese Unzufriedenheit nicht mitgegeben.“
G: „Ihr Nichthunfische diagnostiziert immer den Sternenhimmel da oben, aber das Einzige, was ihr da sehen könnt, sind funzlige Sonnenstrahlen, reflektiert von literweise verpestetem Wasser.“
NT: „Ist es nicht legitim zu träumen?“
G: „Nichtsthunfische tun das meiste, während sie nichts tun. Und das ist eurer traumatischen Vergangenheit nachhängen.
NT: „Mein Kopf fühlt sich nackt an, manchmal vermisse ich Haare.“
Ein blubbernder Seufzer.
G: „Ja, die Gedanken sind offengelegter hier unten, leichter zu sezieren.“
NT: „Wusstest du, dass Klatschen sich wie Regen anhört? Der der unangenehmen Sorte, der der in den Ohren patscht und einen nicht schlafen lässt…ach nein, ich vergaß, du bist ja zu jung, um Regen noch zu kennen. Ich vermisse Regen.“
G: „Aber du bist doch umgeben von Wasser.“
NT: „Oh, stimmt. Das vergesse ich manchmal.“
–
Ein anderer Tag erfüllt vom leiderfüllten Murmeln der Nichtsthunfische. Die Grünele macht aufgeregt Saltos zwischen den Wassermolekülen.
G: „Ich habe nachgedacht. Wie ein richtiger Nichtsthunfisch.“
NT: „Hmmmmmm“
G: „Ja. Ihr versteht einfach das Fischtum nicht.“
NT: „Wie weit sind wir eigentlich gesunken?“
Die verkümmerten Tränensäcke des Nichthunfisches scheinen den Meeresgrund zu berühren.
G: „So tief, dass ihr nur leben könntet, wenn ihr euer Fischsein akzeptieren würdet.“
NT: „Wir sind alle Fische. Nur unsere Lügen, die sind Lungenfische.“
Der notorische Nichtsthunfisch tut nichts und ertrinkt mit seinen Artgenossen. Er versteht seine Kiemen nicht.
Bild: Ralph Accardo.
Das martialische Wort vom Tode Gottes umschreibt ja eigentlich den Zusammenbruch des metaphysischen Sicherheitssystems. Es ging um die durch Aufklärung eingezogene schwäche des metaphysisch/theologisch/katholischen Weltbildes: Gott ist todt –heißt in Wahrheit: die Kugel ist tot, der Haltekreis ist zerbrochen, der Zauber der klassischen Ontologie ist wirkungslos geworden. Der Glaube an Gott in der Höhe ist kraftlos, gegenstandslos, heillos, geworden: Denn die Höhe ist leer, der bisherige Rand hält die Welt nicht länger mehr zusammen. Die Menschen im kalten,freien unbeschirmten.
Hier können die Einzelnen am Alltäglichen zugrunde gehen, wenn es ihnen nicht gelingt sich eine Nachfolge-Sichereit aufzubauen in der sie sich aufgehoben, geborgen fühlen.
Offensichtlich aber halten neue Varianten nicht lange: Fortschritt, Wachstum, Wohlstand, Globalisierung etc.
Dessillusionierungen und Illusionsangebote teilen sich die Wühltische. Sinnangebote mit zweifelhaftem Inhalt zumindest kurzer Lebensdauer zu Schleuderpreisen. Jeder Kränkung folgt wie ein Schatten der Heiler. Wer heilt hat bis auf weiteres Recht.
Herrlich, danke! JD